Weißenfels, den 30.09.2011

Lob und Kritik an der Sanierungspraxis

Zwei historische Gebäudekomplexe gehen als künftige Verwaltungssitze ihrer Sanierungsvollendung entgegen: die Kavaliers- und Diakonatshäuser in der Marienstraße und das vormalige Eiscafe’ Drei Schwäne an der Ecke Burg-/Klosterstraße. Überaus gelungen und im äußeren Ornat sehr edel wirkend präsentieren sich bereits die Gebäude an der Marienkirche. Vor allem die beiden Kavaliershäuser mit ihren hohen zweigeschossigen Erkern, dem Figurenschmuck und reichen plastischen Fassadendekor sind wieder sehenswertes Glanzstück barocker Architektur unserer Altstadt. Der freundlich helle Farbanstrich harmonisiert die überbordende Fülle an Dekoration und Architekturelementen. Das Architekturbüro Schwarz und Sturmat hat eine lobenswerte Arbeit geleistet.
Schöpfer der Kavaliershäuser war der herzogliche Landbaumeister Johann Christoph Schütze (1687-1765), dessen Pläne sich auch noch nach dem verheerenden Stadtbrand von 1718 im Rathaus, Kirchturm und weiteren Gebäuden im Stadtzentrum verwirklichten. Als Vorbild für die Kavaliershäuser empfand er offensichtlich die prachtvollen Bürgerhäuser in der Grampischen Straße in Dresden. Die Prachtbauten nahe der Frauenkirche wurden im 2. Weltkrieg zerstört, aber in den letzten Jahren wieder nachgebaut. In einem dieser Häuser befindet sich heute sogar eine wertvolle barocke Stuckdecke aus Weißenfels, die vor dem Abriss 2007 aus einem Haus in der Klosterstraße geborgen werden konnte.
Etwas anders verlaufen die Sanierungsarbeiten im zweiten Gebäudekomplex. Von einer gelungenen Farbgestaltung kann keine Rede sein. Der dunkelgraue Farbanstrich im Untergeschoss wirkt vom Markt her trist und abweisend. Mit Entsetzen registriert man dann im Erdgeschoss, dem künftigen Bürgerzentrum der Stadtverwaltung, die Radikalkur an der Innenarchitektur. Jegliche historische Zierrat aus dem 19. Jahrhundert ist verschwunden. Die abgeflachten Rundbögen und die sie einst tragenden Säulen wurden skrupellos weggerissen. Der große noch im Stil des späten Biedermeiers stehende Deckenstuck ist unsichtbar unter einer Zwischendecke verschwunden. Ein nüchterner, kalter Funktionsraum ohne Gesicht wird künftig die Besucher erwarten. Welche Gründe haben die Verantwortlichen dazu veranlasst, dem Raum die historischen Artefakte zu nehmen, die doch keinesfalls seiner Nutzung entgegen stehen können? Für uns Weißenfelser ist es ein herber Verlust. Damit ist ein bedeutendes Zeugnis der Innenarchitektur des 19. Jahrhunderts verschwunden. Aber wie im Falle der Promenade, wo eine große Anzahl alter Bäume weichen soll, weil sie nicht in ein vorgegebenes Konzept passen, wurden auch hier kaltherzig historische Zeugnisse geopfert, weil sie die engen Vorstellungen einiger Machtmenschen irritierten. Ich bin wieder einmal über soviel kulturelle Unbedarftheit erschüttert und kann dazu nur sagen: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Dr. Otto Klein

Anmerkung 1: Der Beitrag, adressiert an Herrn Zentner, wurde in der MZ nicht veröffentlicht und damit begründet, weil ich Stadtrat sei. In der heutigen MZ (22.11.2011) wurde hingegen ein langer und kritischer Leserbrief vom Reichardtswerbener Ortschaftsrat Karsten Uhle abgedruckt. Hier wird ganz augenscheinlich mit zweierlei Maßstäben gemessen, denn beide sind demokratisch gewählte Vertreter der Bürger.
Anmerkung 2: Herr Kujas von der Unteren Denkmalbehörde sagte mir, dass er sich für die Sanierung und Präsentation der historischen Stuckdecke und Pfeilerkonstruktion im künftigen Bürgerzentrum Drei Schwäne ausgesprochen hatte, so wie es auch im ersten Planungsentwurf vorgesehen war. Herr Steudtner wollte dies aber nicht und hat alle Elektroleitungen des Raumes, die ursprünglich im Fußboden verschwinden sollten, in die abgehängte Zwischendecke verlegen lassen, so dass auch eine spätere Sichtbarmachung der Stuckdecke kaum möglich sein wird.
3. Anmerkung: Als Herr Olaf Witt nach der Wende ein Eiscafe’ im ehemaligen Gasthof
Zu den drei Schwänen eröffnen wollte, bekam er von der Denkmalbehörde die Auflage, die historische Stuckdecke aufwendig sanieren zu lassen. Er musste als Grundlage für die Rekonstruktion sogar ein teures Gutachten finanzieren. Insgesamt hat er dafür 10.000 DM investieren müssen und ist heute über das Verschwinden der Decke empört. Witt widerspricht auch der Steudtner-Begründung hinsichtlich der Abluft- und Beleuchtungssysteme. Auch das war bei Erhaltung der Decke schon damals gefordert, war möglich und wurde eingehalten. Die entfernten Säulen waren nicht aus Pappmaché- wie von Herrn Steudtner angegeben- sondern aus echtem Stuck. Insgesamt ist festzustellen das hier willkürlich und unnötig wertvolle Denkmalsubstanz der interessierten Öffentlichkeit entzogen wurde.


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