[16.12.2009]
Eine Teilbilanz 2009
Über das schrumpfende Weißenfels und aktuelle Themen eines diffusen Stadtrates. Über B-Plan- Nr. 31, Mitwirkungsverbote und E- Werk- Kosten.

Die Bevölkerung, die finanziellen Möglichkeiten, die Eigenständigkeit, die historische Innenstadt, Polizei, Ordnung und Sicherheit schrumpfen.
Dagegen bleiben bzw. vermehren sich Schulden, Drogenszene, Kriminalität, Unordnung, Unsicherheit, Unvernunft, Discounter, teure und unnütze Bausubstanz am Stadtrand – und das sind nur Beispiele.
Gutachter und Statistiker wollen uns überall das Gegenteil weismachen.
Weißenfelser, geht optimistisch ins neue Jahr, es wird alles gut, ihr müsst nur daran glauben!
825 Jahre Weißenfels? Ihr habt euch doch mit eurem Schusterjungen als Symbol für verlorene Größe die Maßstäbe selbst gesetzt. Seit froh, dass wir euch den Sachsen- Anhalt- Tag und die IBA beschert haben. Also: Feiert gefälligst!

Liebe Leserinnen und Leser,
das mag sarkastisch klingen, ist es aber angesichts der realen Umstände nicht. Zu den aktuellen Schönrednern gehören auch diejenigen, die der Stadt vor Jahren ein teueres aber nutzloses Einzelhandelskonzept für die Innenstadt aufgeschwatzt haben genauso wie die, die es sich haben aufschwatzen lassen.
Die Folgen sind bekannt und darüber können auch einige millionenschwere Leuchtturm- Sanierungen nicht hinweg täuschen: Große Teile des eigentlich geschützten historischen Innenstadtensembles musste einer Vorstadt- und Zuckerbäckerarchitektur weichen und ein Ende ist nicht in Sicht. Kaum noch etwas lockt in die Innenstadt. Immer mehr Geschäfte schließen. Dealer und Einbrecher übernehmen zunehmend das Kommando. Polizei ist praktisch nicht mehr vorhanden.
Während sich in Merseburg gerade ein neues Konzept für die Citystreife mit deutlichen Rückgängen von Vandalismusschäden bewährt (MZ, 3. Dez.), bleibt in Weißenfels der Frust der Betroffenen.
In Merseburg hat man die Verträge zwischen Stadt und privatem Wachdienst zugunsten eines größeren Entscheidungsspielraumes des Wachdienstes geändert. Ziel der Streife ist, das Sicherheitsgefühl der Bürger vorwiegend in den Abend- und Nachtstunden zu stärken. Es geht also! Aber da muss man auf Erfahrungsaustausch setzen und nicht bei jeder Gelegenheit auf teure Gutachter, die sich zu oft als Plünderer der Stadtkassen erweisen und mit ihrer Arbeit Finanzen entziehen, die wir auch in Sachen Bürgersicherheit dringend brauchen könnten- wenn schon Bundes- und Landespolitik versagen.
In den letzten zwei Wochen ist in der Substanz meines eigenen Familienbetriebes jedenfalls gleich dreimal in der Damm- und Saalstraße eingebrochen und im gleichen Zeitraum allein in der Innenstadt ungezählte PKW aufgebrochen worden. Die Sachschäden sind groß und nur ein Teil von dem, was ansonsten noch passiert und gar nicht erst gemeldet wird, weil das Vertrauen in Sachen Aufklärung gegen Null geht. Wie dieses Einbrecherpack vorgeht, ist derzeit an der Eingangstür zum Antikgeschäft gegenüber der Post zu besichtigen. Prost Neujahr!

Gott sei Dank gibt es auch positive Nachrichten aus eigenem Erleben: Die Mehrheit der wirklich interessierten Bevölkerung ist trotz alledem oder gerade deshalb für die Erhaltung bzw. den Wiederaufbau der historischen Innenstadtsubstanz. Das haben nicht nur bisherige Umfragen bestätigt. Mit der „Höfischen Weihnacht“ am ersten Advent hat sich mittlerweile eine Tradition entwickelt, die es zu bewahren gilt. Der ursprüngliche Sinn liegt darin, dass engagierte Geschäftsleute ihre sonst nicht öffentlichen Hinterhöfe zugänglich machen, damit über Jahrhunderte gewachsene Idyllen präsentieren und mit ihren Beispielen deutlich machen, was so dringend erforderlich ist: In der historischen Altstadt kann man gut wohnen, arbeiten, einkehren und einkaufen. Das gilt es zu retten. In anderen Städten wurden und werden inzwischen über beispielhaftes Citymanagement aus den Rathäusern solche Möglichkeiten auch speziell genutzt, um gezielt bei potentiellen Nachahmern zu werben. Im Schlepptau mit wirklichen Experten in Sachen Finanzierung, Fördermöglichkeiten und sonstigen Ratgebern.
Allein im kleinen Hinterhof der Seumebuchhandlung konnten an diesem Tage jedenfalls in wenigen Stunden über 800 Gäste begrüßt werden. So und ähnlich war es auch in den anderen Höfen. Potentiale die deutlich machen, dass in Weißenfels die ureigenen Interessen der Bewohner und das, was Planer und Politiker daraus machen, noch immer weit auseinander liegen.

Liebe Leserinnen und Leser, damit bin ich bei der letzten Stadtratssitzung dieses Jahres am 17.12.09. Da kochen noch einmal so richtig diverse Fehlentwicklungen in der Neustadt hoch incl. sämtlicher Nachteile, denen die Stadt permanent durch externes Management ausgesetzt ist und incl. einer daraus resultierenden Cliquenwirtschaft, der nur mit Radikalmaßnahmen beizukommen wäre – beginnend in der ersten Leitungsebene im Rathaus. Die vergangenen Jahre werfen da immer noch große Schatten und ein OB allein kann das angesichts der anstehenden Problem nicht schaffen. Zumal die alten Mehrheiten im Stadtrat jede Gelegenheit nutzen, um ihm eins auszuwischen. Allen voran Jörg Riemer (FDP). Ich kann Frau Huth aus Burgwerben nur beipflichten, wenn sie dazu in einem Leserbrief an die MZ schreibt:

„Anstatt sich Sorgen zu machen, dass diese Entwicklung die Entscheidungsspielräume der Stadträte einengt und zu Abhängigkeiten führen wird, beschäftigt sich ein Stadtrat mit Befangenheitsanträgen gegenüber einem Kollegen. Es ist merkwürdig, dass ein scheinbar in seinem Ego angekratzter Herr Riemer nicht schon in früheren Debatten zu solch erleuchtender Erkenntnis kam. Werden nun wenigsten alle vorangegangen Beschlüsse des Stadtrates auf diese Problematik zurückverfolgt?“

Bei dem genannten Kollegen handelt es sich um Stadtrat Wanzke (BFW). Ein Bürger, der das immer wieder von allen Seiten und in allen politischen Ebenen geforderte ehrenamtliche Engagement geradezu vorbildlich in einer Bürgerinitiative erfüllt, soll nach Auffassung Riemers gerade deshalb aus dem demokratischen Mitwirkungsprozess ausgeschlossen werden. Unfassbar.
Es ist der gleiche Herr Riemer, der nichts einzuwenden hatte, als sein ehemaliger Fraktionskollege Martin Neumann erheblich beim Zustandekommen von Beschlussvorlagen in Sachen Marien- und Klosterstraße zu Gunsten des DRK und der WBG beteiligt war. Neumann ist dort in Führungspositionen tätig. (Siehe Sonderausgabe zum Thema Korruption und Filz in der Startseite)

Noch ein bemerkenswertes Zitat aus dem gleichen Leserbrief:

„Wenn sich die Mehrheit der Stadträte und OB Robby Risch weiterhin den wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmer beugen, wird sich die Haushaltslage nicht verbessern und Weißenfels bleibt meilenweit von einer beispielhaften Kommune für andere Städte entfernt.“

Die Tatsache, dass Risch´s Gegner ihm genau das Gegenteil unterstellen, nämlich zu wenig für Unternehmer zu tun, zeigt, in welcher Zwickmühle er sich da befindet.

Nun wurde die von Jörg Riemer beantragte und von der Mehrheit des Stadtrates bestätigte (!) Befangenheit gegen Clemens Wanzke wegen dessen Mitgliedschaft in der Bürgerinitiative „Pro Weißenfels“ durch einen Widerspruch des OB zurückgewiesen- was gar nicht anders zu erwarten war- aber nun werden andere Gründe ins Feld geführt:

Die Ratsmitglieder Clemens Wanzke (BfW) und Peter Kungl (CDU) und möglicherweise auch Herr Reimann (CDU) sind als Eigentümer von Grundstücken, die an das B-Plan-Gebiet angrenzen, betroffen. Aber dazu lesen Sie bitte in der Anlage.
Ich habe zu den angegebenen Begründungen auch ein Zitat anzubieten. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einem Urteil:

„Zweck der Befangenheitsvorschrift ist es, die auf einem Ausgleich öffentlicher und privater Interessen beruhenden Entscheidungen des Gemeinderates von individuellen Sonderinteressen freizuhalten und damit zugleich das Vertrauen der Bürger in eine am Wohl der Allgemeinheit orientierte und unvoreingenommene Kommunalverwaltung zu stärken. Es soll bereits der „böse Schein“ einer Interessekollision vermieden werden.
Andererseits ist aber auch zu beachten, dass die Zusammensetzung des gewählten Gremiums nicht unter Verstoß gegen demokratische Grundprinzipien durch eine zu weit gehende Auslegung der Befangenheitsvorschriften verändert werden darf.“

Man kann bei solchen Urteilen und juristischen Auslegungen auch folgendes lesen:
„Die Anwendung dieser Vorschrift ist nur zulässig, wenn das betroffene Stadtratmitglied einen unmittelbaren, persönlichen Vor- oder Nachteil aus dem Beschluss erlangen würde. Ein solcher liegt aber grundsätzlich nicht vor, wenn der Vor- und Nachteil gleichzeitig mehrere Bürger beträfe, der betroffene Stadtrat also nur als Interessenvertreter einer größeren Anzahl von Bürgern auftrete.“

Ich bin davon überzeugt, dass hinsichtlich der „fließenden Grenzen“ von denen man da auch lesen kann, in der Weißenfelser Kommunalpolitik schon viele überschritten wurden. Nach meinen jahrelangen Erfahrungen findet hier ein quasi „illegaler Grenzverkehr“ statt, der unserer Stadt schon großen Schaden zugefügt hat. Im vorliegenden Fall kann ich das jedenfalls nicht erkennen – im Gegenteil. Im Kampf gegen solche Entwicklungen wünsche ich mir in diesem Sinne weitere neue und verantwortungsbewusste Stadträte wie die Herren Wanzke und Klitzschmüller. Sie sind für mich vorbildliche Bürger für Weißenfels, obwohl sie aus unterschiedlichen Fraktionen kommen. Im Kampf gegen diverse Fehlentwicklungen besonders in der Neustadt, im Kampf gegen Ignoranz und Unfähigkeit verdienen sie unseren Respekt.
Abschließend eine kleine Geschichte, die dem Weißenfelser E-Werk-Wahnsinn sehr ähnlich ist und zeigt, wohin der führen wird – zum Griff in die Taschen der Steuerzahler.

Eine Analogie zum nachdenken!
DIE WELT schrieb am 10.12. zum geplanten unterirdischen Bahnhof der Bundesbahn in Stuttgart folgendes:
„Das „Stuttgart 21“- Debakel. Die große Planungspanne.

Es ist nicht nur Deutschlands größtes Infrastrukturprojekt, es ist auch eine der größten Planungspannen im Land. Vor wenigen Wochen hatte die Bahn die Kosten noch mit drei Milliarden Euro angegeben, jetzt sind es vier Milliarden…. Der Punkt der Kritik entzündet sich daran, wie das Projekt geplant wurde. Die hohen Mehrkosten lassen den Verdacht aufkommen, dass es das längst noch nicht war. Die jetzt veranschlagten 4,5 Milliarden sind eine taktische Zahl, weil die Partner nur bei noch höheren Kosten hätten aussteigen können – das sollte offenbar vermieden werden. Nach WELT- Informationen veranschlagt die Deutsche Bahn schon jetzt 4,9 Milliarden Euro.

Zufälligerweise die MZ am gleichen Tag:
Empörung über Bahn- Pläne. Im Güterverkehr sind bis zu 800 Jobs in Mitteldeutschland in Gefahr. Der Betriebsrat schlägt Alarm, die IHK warnt.

Wenn Sie noch mögen, dann klicken Sie die Anlagen an:

  • Widerspruch des OB zum TOP 5 zur Stadtratssitzung am 17.12.09
  • Protokollauszüge zur Sitzung des Stadtrates 12.11.09

Die Anlagen werden an dieser Stelle in den nächsten Tagen mit Verweisen auf Themen wie E- Werk, Wilhelmshöhe und Seumeclub ergänzt. Artikel die hochaktuell sind, obwohl ich sie schon vor Wochen und Monaten geschrieben habe.

Liebe Leserinnen und Leser, nach diesem Tabula rasa wünsche ich Ihnen einen „reinen Tisch“ zu Hause, frohe Feiertage und einen gesunden und stabilen Rutsch ins neue Jahr.

Ihr Hartwig Arps

Nachtrag am 28.12.09:

Die oben angegebenen Anlagen (öffentliche Dokumente des Stadtrates) wurden heute gelöscht.
Grund:
Ein Schreiben des Herrn OB Robby Risch an mich,
den Herausgeber der Online- Ausgabe der „Weissenfelser Seiten“.
Zitat:
„…Ich fordere Sie hiermit auf, diese Dokumente unverzüglich von Ihrer Internetseite zu entfernen. Sollte dies nicht bis spätestens 28.12.09 geschehen, kündige ich Ihnen an, dass ich ansonsten gezwungen bin, hierzu gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen…“

Liebe Leserinnen und Leser,
die Veröffentlichung von öffentlichen Dokumenten eines Stadtrates im Internet ist inzwischen vielerorts und deutschlandweit eine Selbstverständlichkeit – nicht so in Weißenfels und das spricht Bände! Ich werde im Januar ausführlicher darüber berichten. Bis dahin: Prost Neujahr!


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